Regen im Frühjahr, zwei Kids voller Energie, zwei ratlose Eltern, die den Tag sinnvoll für alle Beteiligten retten wollen: Wie wäre es mit einem Besuch des DampfLandLeute Museums in Eslohe, von dem wir schon viel Gutes gehört haben? Und anschließend ins Spritzenhaus. In diesem knuffigen Fachwerkhaus mit seiner wechselvollen Geschichte soll im letzten Sommer eine neue Pizzeria eröffnet haben. Die Internetseiten sowohl vom Museum als auch der Pizzeria sind sehr ansprechend und machen Lust auf einen Besuch – also auf nach Eslohe!
Unser erster Eindruck: Eslohe ist ein schönes Örtchen mit viel Sauerländer Fachwerk und stilvollen kleinen Geschäften. Und das DampfLandLeute Museum ist viel größer, als wir dachten. Da werden wir den Regentag gut rumkriegen. Das 2.000 Quadratmeter große, barrierefreie Anwesen hieß bis vor knapp sechs Jahren noch Maschinen- und Heimatmuseum, erfahren wir. Aber der Name klang etwas altbacken, deshalb hat sich der Museumsverein entschieden, das DampfLandLeute Museum daraus zu machen: „Dampf“ steht für die vielen alten Maschinen, die die Industrialisierung vor gut 100 Jahren eingeläutet und auch ins Sauerland gebracht haben. Und die Begriffe „Land“ und „Leute“ stehen für … ja, eben für Land und Leute und alles, was das Sauerland und seine Menschen von der Vergangenheit bis heute geprägt hat: die Land- und die Forstwirtschaft, das Handwerk im Wandel der Zeiten mit Berufen, die es heute teils gar nicht mehr gibt. Auch die Frauen und ihre damalige Rolle sind Thema: Wie wurde gekocht, eingemacht, gewurstet, gewaschen, gebügelt und gestickt? Wie und wo ist das Essen gewachsen und verarbeitet worden? Wie sah der Alltag einer Sauerländer Familie vor 100 Jahren aus?
Zeitreise in die eigene Kindheit
Die liebevoll bestückten Ausstellungsräume bieten ein Déjà-vu nach dem anderen. Ich sehe meine Oma in Kittelschürze wieder vor mir, wie sie Sülze kocht und Pflaumen einweckt. Verklärte Erinnerungen ans Heumachen und Kartoffellesen kommen auf. Mein Mann steht mit leuchtenden Augen vor Werkzeugen und Maschinen, die man längst vergessen hat. Berufe wie Wagner, Sattler, Köhler werden wieder lebendig. Oder Schlosser, Schmiede, Schreiner, Friseure: Es gibt sie noch, aber ihre Arbeitsstätten und Produkte sehen heute völlig anders aus. Die Kinder staunen und können sich gar nicht vorstellen, was und wie damit einst gearbeitet wurde. In der landwirtschaftlichen Abteilung wird eine Winterschule gezeigt, in die man früher nur in der kalten Zeit ging: „Ey, voll cool, so was wollen wir auch!“ Dass die Jugend damals feste anpacken musste, um die Familien zu ernähren, ist für die Kids nicht vorstellbar. Sie haben ihren Spaß mit den interaktiven Touchscreens, mit denen sie Präsentationen aus Fotos, Videos und Texten zu diversen Themen starten können.
Eine kleine Druckerwerkstatt mit einer Schreibmaschinen-Tastatur zum Anfassen. „Mit sowas haben wir früher geschrieben, als es noch keine Handys, PC-Tastaturen und WhatsApp gab“, erkläre ich den Kindern. In der ehemaligen Schmiede mit den imposanten Dampfmaschinen liegt der Duft von Metall, Schmieröl und harter Arbeit in der Luft. Viele Maschinen sind noch voll funktionsfähig. Zwei Mal im Jahr werden sie bei den legendären Esloher Dampftagen Ende Mai und Ende September wieder in Betrieb genommen. Im 19. Jahrhundert haben diese Dampfmaschinen für eine landesweite Revolution gesorgt, indem viele Produktionsabläufe, die bis dahin in reiner Handarbeit erfolgten, technisiert und industrialisiert wurden.
Eslohe lockt zum Einkaufsbummel
Die Zeit im Museum vergeht wie im Flug, auch die Kinder sind gut beschäftigt. Nach so viel Nahrung fürs Hirn meldet sich jetzt der Magen. Also auf ins Spritzenhaus. Habe ich schon die verlockenden inhabergeführten Läden auf dem Weg dorthin erwähnt? Zum Beispiel das Modehaus Stinn gegenüber vom Spritzenhaus. Aber bei uns in der Familie steht es 3:1 für den Hunger und gegen Shoppen. Das Spritzenhaus wirkt selbst im Frühjahrsregen herrlich gemütlich mit seiner urigen Bauweise und der idyllischen Fachwerk-Umgebung. Hier mal einen lauen Sommerabend draußen im Biergarten bei einem frischen Veltins verbringen ... Wir treten ein und sind uns gleich sicher: Wenn Deutschland mal die schönste Pizzeria sucht, ist das Spritzenhaus ganz vorne mit dabei. Die Inhaber Mira, Altin und ihr ganzes Team haben eine Engelsgeduld, auch bei „schnöggeligen Blagen“, wie der Sauerländer so sagt. Glutenfreies Essen? Kein Problem, das Spritzenhaus hat immer glutenfreie Nudeln und Brot im Angebot und berät sehr kompetent, welche Speisen möglich sind. Ein toller Service für alle Betroffenen, der nicht selbstverständlich ist. Die Kinder werden ernst genommen und bedient wie Große. Das macht spürbar Eindruck, prompt können sie sich tatsächlich auch benehmen und verfolgen gebannt, wie unser Besteck mit weißen Handschuhen eingedeckt wird.
Beim Blick in die Getränkekarte müssen wir schmunzeln: Sie bietet genau wie das ganze Spritzenhaus eine perfekte Mischung aus Sauerland und Italien – da stehen Veltins-Sorten, die ja sogar im Nachbarort Grevenstein gebraut wurden, neben italienischen Weinen und Aperitifs. Und da kommt schon unser Essen. Meine Pizza Rucola ist köstlich: ein schön knuspriger, am Rand leicht hochgezogener Boden und genau die richtige Menge an Käse und Tomaten. Man schmeckt angenehm heraus, dass hier nicht mit Geschmacksverstärkern, sondern natürlichen Gewürzen gearbeitet wird. Was wäre meine besondere Empfehlung aus der Karte? Da halte ich es mit Küchenchef Altin: „Bei uns ist alles besonders!“ Alles wird nach eigenen Rezepten gekocht und sollte deshalb entdeckt werden. Recht hat er.
Wir kommen wieder!
Die leise italienische Musik, das Ambiente in Schwarz-Weiß in seiner wunderschönen Kombination aus Alt und Modern, die schimmernden Gläser auf dem Tisch und in den Regalen, der Blick auf die schönen Fachwerkhäuser und die Außenterrasse vom Spritzenhaus am vorbeirauschenden Esselbach – hach, da wird es einem ganz beseelt zumute! Neben uns am Tisch wirft sich ein junges Paar über seine Gambas hinweg schmachtende Blicke zu. Gut, dass beide Knoblauch essen, schießt es mir durch den Kopf. Und: Das Spritzenhaus wäre doch optimal für einen romantischen Abend an unserem Hochzeitstag. Vielleicht mit einem lauschigen Bummel durch die reizvollen Geschäfte (und natürlich endlich mein Modehaus Stinn!) und außerdem im Gefu-Outlet nach neuen stylischen Haushaltshelfern stöbern?
Mein Mann schwelgt in seinem argentinischen Rinderfilet mit hausgemachter Rotweinsoße und schreckt hoch: „Was? Hochzeitstag??“ Ach so, demnächst erst. Seine Erleichterung spült er mit einem satten Schluck Veltins runter. Ja, wieder ins Spritzenhaus, sehr gute Idee. Und vorher ein Stück auf dem SauerlandRadring fahren, wenn ab April der Fledermaus-Tunnel wieder geöffnet ist, findet er. Minigolf spielen und ins Esselbad. Ok, das war jetzt nicht unbedingt das, was ich meinte. Aber warum nicht? Ein schöner Familienausflug, vielleicht zu den Dampftagen? Das würde den Kindern garantiert Spaß machen. Im Museum gab es noch so viel zu entdecken, was wir gar nicht geschafft haben. Oder er mit den Kindern aufs Rad, ich in aller Ruhe einkaufen, hinterher wieder ins Spritzenhaus und damit alle zusammen einen schönen Tag in Eslohe genießen. Oder zwei!
Text: Rita Maurer
Fotos: Ralf Litera
Video: Jannik Fischbach
Diese und weitere Geschichten finden Sie in der Heimatliebe Arnsberg-Sundern